Die aktuelle Predigt

13. Sonntag im Jahreskreis – B:
Weish 1,13-15; 2,23-24 / Mk 5,21-24.35b-43

(Linz − Ursulinenkirche, 30. VI. 2024)

Download als PDF

Verbote bewirken oft das Gegenteil, Redeverbote erst recht. Das war offenbar schon früher so: Wäre das Redeverbot Jesu von den Zeugen jener wundervollen Wiedererweckung des Mädchens im Hause des Synagogenvorstehers treulich befolgt worden, wir wüssten heute gar nichts davon. Das Ereignis wurde aber offensichtlich „geleakt“. – Solche nutzlosen Geheimhaltungsgebote gibt es in den Evangelien übrigens gleich mehrfach – just immer dann, wenn Jesus besonders wunder- und wirkmächtig auftritt, insbesondere in Zusammenhang mit Krankenheilungen und Totenerweckungen.

Vielleicht ahnte und fürchtete Jesus das schwere Missverständnis, das diesen seinen Wundertaten drohte und immer noch droht: Er hat großes Leid überwunden – gut. Er hat darin Gott als einen Gott des Lebens bezeugt, der „keine Freude hat am Untergang der Lebenden“, der das Heil der Menschen will und sie „zur Unvergänglichkeit erschaffen“ hat, wie es auch die Lesung aus dem Buch der Weisheit formuliert – gut. Vielleicht aber ahnte und wusste Jesus auch um die menschliche Neigung, an den äußeren Wundertaten selbst „festzukleben“ und die eigentliche Botschaft zu überhören. Erst unlängst äußerte sich sogar der Vatikan kritisch zu einem Glauben, der Wundern oder übernatürlichen Erscheinungen eine allzu große Bedeutung beimisst, und unterzieht dieselben mit einer neuen Behörde wissenschaftlichen Prüfungen. Vielleicht wollte auch Jesus einer Religiosität keinen Vorschub leisten, die sich auf Widersprüche zur menschlichen Vernunft gründet, die doch auch eine Gabe Gottes ist. Vielleicht wollte Jesus auch vermeiden, dass Menschen in ihm nur mehr den phantastischen Wunderprotz, den Guru sehen und die Überwindung von Leid und Tod als eine bloße Frage besonderer therapeutischer Kräfte oder technischer Fertigkeiten. Jesus hätte dann sein restliches Leben damit zubringen können, Kranke zu heilen, Tote zum Leben zu erwecken und andere Wunder nach den Wünschen seiner Klienten zu wirken; er hätte damit vieler Menschen Not lindern und ihnen damit riesiges Glück bereiten können – gut. Aber sein weiteres Leben wäre dann nicht mehr im Dienst seiner Botschaft von der Liebe und vom Reich Gottes gestanden, sondern nur noch im Dienst eines einzigen, großen Missverständnisses: Dass nämlich der Kampf gegen Leid und Tod letztlich nur eine Frage des Könnens sei, dass die medizinisch-technische Ausschaltung von Leid und Tod bereits deren Überwindung bedeutete.

So aber ist es nicht! Die Macht des Todes wird ja keineswegs gebrochen durch die Fähigkeit, ihn zu verhindern oder gar rückgängig zu machen – sei es nun durch irgendwelche Wunderkräfte, sei es durch technische Verfahren. Im Gegenteil: In dem Maße der Mensch den Tod weiterhin als Feind begreift und bekämpft, in demselben Maße anerkennt er auch seine lebensbedrohliche oder lebensfeindliche Macht.

Die Macht des Todes wird – das ist die biblische Botschaft und Antithese dazu – aber gerade nicht überwunden, indem er beherrscht, verzögert, verhindert oder gar technisch ausge­schaltet wird. Jesus sagt dem Synagogenvorsteher, der um das Leben seiner todkranken Tochter fürchtet, nicht: „Sei unbesorgt; das kriege ich schon hin!“; seine Antwort ist vielmehr: „Sei ohne Furcht; glaube nur!“ – D.h.: Die Macht des Todes wird erst in dem Augenblick gebrochen, in dem ihm nicht mehr als Urquell von Angst, als fundamentale Infragestellung des Lebens oder gar als Gegenmacht Gottes begegnet wird, sondern indem der Tod begriffen und geglaubt wird als integraler Bestandteil menschlichen Lebens und also auch als Teil der Schöpfung Gottes. Denn nach biblischem Glauben ist genau dieses menschliche Leben in seiner Ganzheit, also inklusive Tod, von Gott zur Unvergänglichkeit erschaffen – trotz seiner Sterblichkeit und Begrenztheit innerhalb dieser Welt. Die Bestimmung und Würde des Menschen reicht eben über diese Welt und ihre Endlichkeit hinaus.

Die Macht des Todes zerbricht also keineswegs an der Macht eines Menschen – und sei diese noch so groß. Sie zerbricht einzig und allein an der Macht Gottes, der – selbst unvergänglich – die Unvergänglichkeit ins Herz des Menschen gelegt hat – selbst, wenn dieses einmal zu schlagen aufhören sollte.



Nächste Predigt: 14. Sonntag im Jahreskreis – B, 07. VII. 2024

← zurück zur Übersicht

 

Die Wahrheit ist
dem Menschen zumutbar.

(Ingeborg Bachmann)
 
Im Buchhandel: